„Alaska hat Würmer.“ Katrin Berger zog den Stuhl, der über den Boden rumpelte, zurück und ließ sich gegenüber Bettina auf die Sitzfläche fallen. Sie betrachtete ihren Hund mit Sorgenfalten auf der Stirn. Dann wandte sie sich ab und suchte das Café nach dem Kellner ab.
„Hallo Katrin“, murmelte Bettina. Sie schaute seufzend den schwarzen Labrador an, der es sich widerwillig unter dem Stuhl seines Frauchens bequem machte. Innerlich verdrehte sie die Augen. Immer ging es um diesen Hund. Warum sollte es sie interessierten, ob das Tier Würmer hatte? Gab es dagegen keine Impfung? Hatte er letzte Woche nicht Rückenschmerzen? Sie hingegen hatte brummende Kopfschmerzen. Bettina wollte ihren Kater von gestern Abend bei einer Tasse Cappuccino hier im Kaffee friedlich stimmen. Sie musste nachdenken. Gestern hatte sie sich bei ihrem Ex zur Aussprache getroffen und nach zwei Flaschen Wein und einer wilden Nacht war sie sich nicht sicher, wie ihr Beziehungsstand gerade war. Sie war kopfüber aus seinem Bett geflohen. Warum musste sie sich auch in das Café setzen, das auf Katrins Gassirunde lag? Sie schob es auf ihren Zustand und seufzte. Jetzt, wo Katrin hier war, konnte sie ihrer Freundin auch den Gefallen tun und sie von dem Hund erzählen lassen. „Und? Wie gehst du jetzt damit um?“
Katrin lehnte sich über den Tisch. „Ich habe Propolis-Tinktur besorgt. Vom Imker.“
„Propo…“ Bettina strengte sich an, bekam das Wort aber nicht zusammen. „Was?“
Katrin winkte ab. „Das soll wohl helfen bei Würmern. Aber da stand nicht ‚medizinisch‘ drauf. Ich hatte Bedenken, sie bekommt es ja ins Fressen. Aber der Imker meinte, er darf das nicht draufschreiben, sonst dürfen es nur die Apotheken verkaufen … zu Apothekenpreisen!“
„Krass. Gibt’s da nichts vom Tierarzt?“ Bettina nuschelte, denn sie stützte ihren Kopf auf den Händen ab. Gleichzeitig kniff sie die Augen gegen die Sonnenreflexionen, die sie über Katrins Brille trafen, zusammen.
„Natürlich, aber das ist ja hochgiftiges Zeug. Das geb‘ ich ihr doch nicht. Wer weiß, was das für Auswirkungen auf sie hat!“
Bettina wagte nicht laut auszusprechen, dass dies die wahrscheinlichste Möglichkeit war, um die Würmer loszuwerden. Stattdessen nickte sie verständnisvoll.
„Ja, und der Hund, auf den ich aufgepasst habe, der von meiner Nachbarin, falls du dich erinnerst? Der hat einen Bandscheibenvorfall!“ Katrin warf sich zurück in ihren Stuhl, dass dieser ein Stück auf dem Boden zurückrutschte und einen schrillen Schrei von sich gab, wobei sich Bettinas Nackenhaare sträubten und der Hund aufschreckte. „Tut mir leid, mein Schätzchen“, entschuldigte Katrin sich bei ihrem Hund.
Noch mehr Hunde. Bettina unterdrückte das Stöhnen, dass ihr im Hals hing. Immerhin stach die Sonne jetzt nicht mehr direkt in ihre Augen. „Das hattest du ihr ja gesagt. Wie hat sie reagiert?“
„Ich so: ‚Der läuft steif.‘ Sie so: ‚Was? Nein, das ist der Bullterrieranteil.‘ Ich so: ‚Nein‘, und sie so: ‚Echt?‘“ Katrin nickte. “Jetzt war sie mit ihm beim Tierarzt und er bekommt Schmerzmittel und hat Ruhe verordnet bekommen.“
„Der Arme.“ Ruhe hätte Bettina vor dem Thema Hund auch gern gehabt. Verschrieb ein Arzt so was, oder brauchte sie einen richterlichen Beschluss? Ohne ihre Worte abzuwägen, sprach sie gerade heraus. „Was machst du nur mit deinen Hunden, dass sie alle Rücken bekommen?“
Katrin verkniff ihren Mund und drehte sich zur Seite, um aufzustehen. „Na ja, ich muss ja noch weiter. Wollte nur kurz Hallo sagen. Wir sehen uns.“ Bettina kam nicht dazu, sich zu verabschieden, denn der Hund sprang auf und zerrte sein Frauchen aus dem Café.
Bettina atmete tief aus und nippte an ihrem Cappuccino. Stille. Endlich. Katrin war doch eine ihrer besten Freundinnen.