Lukianenko spielt mit den schwimmenden Grenzen zwischen Gut und Böse. Das große Thema des Buches scheint mir moralisches Verhalten in Reflexion zum individuellen Schicksal zu sein. Unser Protagonist ist dem Guten verschrieben, handelt aber häufig nach seiner eigenen Auslegung. Er deckt die zwielichtigen Vorgehensweisen seiner Vorgesetzten auf, gleichzeitig relativiert er ihr Verhalten und wird dadurch immer neutraler. Eigentlich ist nicht klar, was Gut sein bedeutet. Obwohl in jedem Teil das Böse abgewendet werden kann, habe ich den fahlen Nachgeschmack, dass Gut anders sein sollte. Es ist eine ernüchternde Lektüre. Weder das wirklich Gute, noch das absolut Böse existiert. Alles ist Auslegungssache.
Auch wenn es sich vielleicht nicht so anhört, aber ich habe das Buch wirklich gerne gelesen. Die Art, wie sich Magie in dieser Welt manifestiert, ist sehr gelungen. Sie ist versteckt und nur dem Wissenden Auge ersichtlich. Normal Menschen spüren sie, können sie aber nicht sehen. Auch das Thema die verwaschenen Grenzen zwischen Gut und Böse, sagt mir sehr zu. Gerade der Anfang ist spannend und die 525 Seiten lesen sich sehr schnell.
Hinsichtlich meiner Genre Recherche, werde ich mir das Buch als gutes Beispiel im Hinterkopf behalten.
Ein weiteres Buch, das mir bei meiner Urban Fantasy Recherche mit männlichem Hauptcharakter empfohlen wurde, war „Die Flüsse von London“ von Ben Aaronovitch. Ebenfalls der erste Teil einer Serie. Laut Einband ein äußerst spannender, unglaublich unterhaltsamer Roman, der frischen Wind in das Genre der Urban Fantasy bringt. Davon musste ich mich überzeugen.
Vorab noch folgendes: Seit ich mich mit dem Schreiben beschäftige, kann ich Bücher nicht mehr unvoreingenommen lesen. Ich fange sofort an, die Struktur und den Plot zu untersuchen. Auch hier ist es mir nicht anders ergangen. Dabei beobachte ich mich selbst. Ich achte automatisch auf folgende Punkte.
Dabei schaue ich gerne, wie es der Autor gemacht hat, um es im Zweifelsfall selbst auszuprobieren.
In „Die Flüsse von London“ folgen wir dem Police Constable Peter Grant durch seinen ersten magischen Mordfall. Peter muss die Grundlagen der Magie lernen und einen brutalen Serienmörder finden, der eine Revolution auslösen könnte. Er trifft Flussgötter und Göttinnen, Vampire und Geister und stellt sich ihnen mit Humor und der Skepsis des frisch Eingeweihten.
Allem voran handelt es sich neben einem Urban Fantasy Buch auch um einen Krimi. Es geht darum, in einem Mordfall zu ermitteln und einen Täter zu stellen. So beginnt das Buch mit einer Beschreibung des Tathergangs sowie der Herleitung, wie unser Protagonist zu seinem ersten Fall gekommen ist. Dabei benutzt der Autor Passivkontruktionen, die in ihrer Erzählart an einen Polizeibericht erinnert, um ein objektives Bild zu vermitteln. Allerdings schleicht sich – gewollt! – bereits der ironische Unterton des Protagonisten ein. Was diesen, der Handlung vorangestellten Teil sehr unterhaltsam werden lässt.
Als er in die Ich-Erzähler Perspektive wechselt, benutzt Aaronovitch die Vorwegnahme und schafft es damit, den Übergang zwischen den Teilen reibungslos zu gestalten. „So kam es, dass ich um sechs Uhr morgens im eiskalten Wind am Covent Garden herumhing. Und dass ich es war, der dem Geist begegnete.“ (S.7)
Die Geschichte ist aus Sicht des Ich-Erzählers Peter Grant geschrieben und ich bekomme allmählich den Eindruck, dass der Ich-Erzähler, DAS Must-have beim Schreiben von Fantasy ist.
Die Art, wie der Autor Informationsberge über den Hintergrund Londons einfließen lässt, überzeugt in der Figurenbeschreibung. Er beginnt mit einer Beschreibung des Covent Garden und seiner Geschichte und beendet den Abschnitt mit „… Dass ich das alles weiß, hat einen einfachen Grund: Wenn man stundenlang im eiskalten Wind herumstehen muss, ist man für jede Art von Abwechslung dankbar, die man finden kann – und an der Seitenwand der Kirche befand sich eine große und bemerkenswert ausführliche Informationstafel.“ (S.8)
Das Aussehen des Protagonisten wird stückchenweise an den Leser gefüttert. Das erste, das wir erfahren, ist, dass er Kraushaare und dicke Lippen hat (S. 12). Es wird beiläufig in einem Gespräch erwähnt, dadurch wirkt es nicht aufdringlich. Auch der nächste Hinweis, in Form einer Neckerei, bleibt diesem Schema treu. Peter Grant: „Warum sollte mich das FBI nehmen?“ Lesley: „Sie könnten dich als Obama-Double einsetzen.“ (S.27, 28)
Durch das Cover hatte ich keine großen Erwartungen an den Inhalt, was aber täuscht. Es handelt sich um kein Kinderbuch und hält Szenen bereit, die für ein älteres Publikum gedacht sein müssten. Der Gegenspieler des Helden ist wahrhaft böse und rücksichtslos, und sein Wirken wird auch im Show dargestellt, was empfindliche Leser schlaflose Nächte bereiten könnte.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Gerade der Figurenstil des Protagonisten war herrlich zu lesen und die Art, wie der Autor Informationen in Dialog und Handlung einbettet, sind nachahmungswürdig. Dieses Buch kommt dem, was ich mir für mein Projekt wünsche, bisher am nächsten. Ich setze die Folgetitel in jedem Fall auf meine Leseliste!
Und was hat Dich die Woche beschäftigt?
Bis bald!
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